Genie
Ein Mensch, der sich durch außerordentlich ungewöhnliche, im Rückblick der Nachwelt als seiner Zeit vorausschauende, Schule machende, langfristig tragfähige, von den Zeitgenossen jedoch meist geächtete, angefeindete oder zumindest belächelte Werke, Taten, Aussprüche, Unterlassungen oder Tollkühnheiten auszeichnet, wird in einem hier nicht weiter zu spezifizierenden Nachhinein mitunter, wenn auch selten, als Genie bezeichnet. Die Einordnung in das Geniewesen ist gemeinhin subjektiv, wie im Falle des pensionierten Fliesenlegers Oskar Schulze-Birnbaum, der von den Nachbarn auf beiden Seiten seiner Einliegerwohnung übereinstimmend als Genie, vom örtlichen Gemeidepfleger jedoch lediglich als freundlicher Rentner eingestuft wird. Hier zeigt sich bereits die Problematik des Geniebegriffs.
Problematik des Geniebegriffs[edit | edit source]
Die Lateiner bezeichneten mit genius einen Schutzgeist und unterschieden einen genius loci von einem ohne Haare. Jedoch schon in der Frührenaissance ist die Frisur nicht mehr ausschlaggebendes Merkmal des Genies. Im Gegenteil, Giorgio Vasari spricht Leonardo da Vinci und anderen Fassadenbeschmierern seiner Zeit eine grundsätzliche Genialität zu, die diese bis heute nicht losgeworden sind. Nach Vasari empfängt das Genie einen göttlichen Funken, durch den sowohl die zahlreichen Todesfälle in italienischen Künstlerwerkstätten des 15. Jahrunderts erklärt werden können, als auch das heutzutage im Zeitalter des Blitzableiters rapide abnehmende Genietum.
Tatsächlich lässt sich der Begriff des Genies jedoch weder auf die Frisur seines Trägers, noch auf vorübergehende atmosphärische Entladungen zurückführen, sondern auf eine innere mentale Veranlagung. Niemand konnte dies besser in Worte fassen als der schweizer Bildungsreisende und Teilübersetzer Johann Caspar Lavater (1741-1801):
"Ach, Genie - Genie, ach!"
Insofern gebührt Lavater in der Geschichte der Genialismushistoriographie eine herausragende Stellung, die er zeitgenössischen Berichten zufolge niemals anstrebte.
Exkurs: Der Begriff des Genialen[edit | edit source]
Das Genie definiert sich durch die Schaffung von Genialem. Nach Herbert Dünnewinckel d.J. (1927-1979) ist das Geniale duch zwei positive Konstituenten determiniert, die auch bei Personen Anwendung finden, die selbst nicht Genies, also Urheber des Genialen sind:
- man kann tagelang darüber plaudern
- man kann schöne Frauen damit mehr als dreimal hintereinander beeindrucken
Mehr noch als Lavaters Aphorismus erschließt diese Diktion das Wesen des Genies: Auch der Gewöhnliche kann vom Genie profitieren, indem er dessen intellektuelle Leistung nutzt, um pausenlos auf schöne Frauen einzureden. Kaum ein Teenager, dessen Angebetete nicht schon wiederholt kühnen Spekulationen am Rande der Relativitätstheorie ausgesetzt gewesen wäre. Lavaters Konkubine berichtet in ihren (bis heute unveröffentlichten) Tagebüchern von romantischen Gesprächen über die Phänomenologie des Geistes zur Freiheit und heißen Nächten nach ebensolchen Disputen zur Kritik der reinen Vernunft.
Das frühe Genie[edit | edit source]
In der zwei Millionen Jahre alten Geschichte der Menschheit ist kaum auszumachen, wann, wie und wo das erste Genie gewirkt hat. Sicher ist, dass ein bislang namenloser Australopithecus polycolor in Zentralafrika ganze Mittelgebirge mit seinen grellbunten Höhlenmalereien unbrauchbar gemacht hat und damit zweifellos zum Aussterben seiner Art maßgeblich beigetragen hat. Auch die Schöpfer der ersten Pyramiden und der Meeresenge von Gibraltar sind uns nicht bekannt, um so mehr jedoch der Erfinder der Büroklammer, dem in einem solchen Artikel ein besonderer Platz gebühren müsste. Aber nein, die "Artikel" dieser selbsternannten Experten hören ja immer irgendwo mittendrin auf. Wenn die keine Lust mehr haben, schreiben die einfach nicht weiter. Wirklich erstaunlich, sowas. Und da wundern die sich noch.