Ich grüße meine Mutter und alle die mich sonst noch kennen
Jeder, der schon einmal bei einem Radiosender angerufen hat - und angesichts entsprechender, viertelstündlich eingespielter Beiträge muss dies ungemein viele Menschen betreffen - hat sich schon einmal „Ich grüße meine Mutter und alle die mich sonst noch kennen“ oder - als Ausdruck zweifelsfreier Originalität - eine noch blödere Phrase sagen hören, oder zumindest bereits damit geliebäugelt und dann doch lieber schnell den Telefonhörer wieder aufgelegt.
Entstehung[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]
Die Ursachen für das Auftreten dieses kollektiven Medienphänomens bedürfen einer gründlichen Untersuchung. Generell ausschließen lässt sich die Wirkung eines erblichen Gens, denn, im Gegensatz zum nachweislich angeborenen Drang nach Pringles, wurden bei der Entschlüsselung des menschlichen Genoms keine entsprechenden Chromosomenabschnitte gefunden. Vielmehr kann die Entstehung dieser, möglicherweise sogar ansteckenden, Redewendung in Zusammenhang mit der Existenz von Radiogeräten, Telefongeräten und Müttern gebracht werden. Wissenschaftlichen Prognosen zufolge wird es diese Redewendung deshalb auch bis zum Aussterben von Müttern weiter geben, es sei denn, was aber unwahrscheinlich erscheint, Radio oder Telefon stürben früher aus.
Anlass[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]
Dem Auftreten der Redewendung geht eine festgelegte Handlungsabfolge voraus. Zunächst ruft ein Hörer bei einem Radiosender an, die Gründe dafür können unterschiedlichster Art sein: Musikwünsche, Gewinnspiele, Ausübung der Meinungsfreiheit, Verwählen oder Anschlagsdrohungen gehören zu den häufigsten. Nachdem der Anrufer sich kurz vorgestellt hat, wobei Vorname, Wohnort, augenblickliche Betätigung und Aufenthaltsort zu den wichtigsten Informationen gehören, wird dann in einem trivialen Gespräch der jeweilige Sachverhalt behandelt. Die Vorproduktion solcher Gespräche ermöglicht es der Redaktion sicherzustellen, dass dieser Teil eine den Hörer ansprechende Variation aus Tränenausbrüchen, Freudengekreische und Ressentiments enthält. Abschließend folgt nun die Stelle, an der die zu untersuchende Redewendung fallen wird. Eingeleitet wird sie vom Moderator durch die Frage: „Möchten Sie noch jemanden grüßen?“ Dass diese Frage notwendiger Weise kommen muss und zwingend mit „Ich grüße meine Mutter und alle die mich sonst noch kennen.“ beantwortet wird, beweist der nächste Abschnitt.
Ursachen[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]
Menschen sind Lebewesen, die in Verbänden unterschiedlich starker Zusammengehörigkeit leben, weil sie zu zweit oder zu mehreren je nach Alter verschiedene Sachen gemeinsam beziehungsweise miteinander machen können. Das Grüßen ist eine Handlung, welche diese Zusammengehörigkeit bestätigen soll, was insbesondere dann sehr wichtig ist, wenn die sich Grüßenden selten tatsächlich zusammen sind. In der heutigen Zeit, wo die Menschen eher aneinander vorbei leben statt zusammen, ist das Grüßen im Radio daher unerlässlich. Dass sich dafür die genannte Redewendung am besten eignet, soll im Folgenden gezeigt werden.
Situation in anderen Medien[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Im Fernsehen (z.B. bei der Sendung Wetten, dass..?) führen die Kandidaten inzwischen lange Listen mit ihren zu grüßenden Müttern mit, die sie dann vor laufender Kamera entrollen und verlesen. Der Gute Fernsehrat hat aufgrund dieser Besorgnis erregenden Entwicklung die Einführung von mehrminütigen Textbändern der Art „Der Kandidat grüßt: ...“ empfohlen, die am unteren Bildrand vorbeilaufen. Dies soll jedoch nur eine Übergangslösung sein, bis die Verträge mit den Kandidaten die verbindliche Auswahl aus einer Liste geprüfter Universal-Grußformeln wie der obigen vorsehen. Die Praxis hat nämlich gezeigt, dass selbst nach langen Gruß-Arien immer noch eine abschließende Formel angehängt wird, um den Rest der bekannten oder unbekannten Welt auch noch zu grüßen. |
Die Alternativen[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]
- „Nein, ich möchte niemanden grüßen.“ - Zeugt nicht gerade von sozialen Kompetenzen; die gesamte Menschheit hat das Recht sich bei diesen Worten beleidigt zu fühlen.
- „Ich grüße mich selbst.“ - Ist schon etwas besser, wenn auch nur für Egoisten geeignet; soziale Ausgrenzung folgt.
- „Ich grüße Sandy, Cindy, Mandy, Wendy, Betty, Kathy, Amy, Nancy, Franzy, Melany, Steffy und Kevin.“ - Ein großer Freundeskreis ist schon was Schönes und es wird auch niemand überprüfen, ob Sie sich die Namen nicht nur ausgedacht haben. Es könnte allerdings Ihre Schwiegermutter kränken, dass Sie sie vergessen haben.
- „Ich grüße Paris Hilton, Britney Spears und Osama bin Laden.“ - Auch das Grüßen berühmter Persönlichkeiten ist keine Unsitte, denn es sollte jeder stolz auf die ehrenwertesten seiner Artgenossen sein. Machen Sie sich bei Bedarf aber vorher kundig, welche Persönlichkeiten in Ihrem Kulturkreis verehrt werden.
- „Ich grüße meine Mutter und alle die mich sonst noch können.“ - Auch wenn dieses Beispiel schon nah an das Ideal herankommt, ist der kleine Unterschied von großer Bedeutung. Halten Sie Ihren Mittelfinger unter Kontrolle.
Das Original[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]
- „Ich grüße meine Mutter und alle die mich sonst noch kennen.“ - Die Vorteile liegen auf der Hand: Jeder hat eine Mutter, kann damit also nicht falsch liegen. Und auch der zweite Teil bedient sich eines eleganten Kniffs: die Formulierung ist für Sie selbst so undefinierbar und doch für jeden Empfänger verständlich. Sie vergessen niemand und verraten gleichzeitig nicht wie viele Personen eigentlich gemeint sein könnten. Sie tun etwas für unsere Grüßkultur und müssen dafür nicht mal jemanden kennen.
Ach ja, das Team des Radiosenders, der Uncyclopedia und der Wikia grüße ich natürlich auch.
Artikel der Woche 02/2008
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