Wenn Lehrer reisen
Wenn Lehrer Reisen von Heidelore Ströck ist ein 2007 im Teichmann Verlag Wiesbaden erschienenes Buch, welches das einzigartige Sozialverhalten von Lehrern im Ausland thematisiert. Heidelore Ströck hat ein nachgerade genrebegründendes Crossover aus Schelmenstück und Soziogramm vorgelegt und wurde dafür 2008 in Graz mit dem Ernst Winter Preis für Brauchbare Texte ausgezeichnet.
Die Autorin[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]
Heidelore Ströck, Jahrgang 1967, ist freie Schriftstellerin und Publizistin und unterrichtet Sozionautik an der Standarduniversität Lüttich. Das Buch ist ihre erste Publikation, die mehr als zwei Druckseiten umfasst, zuvor machte sie in den späten 1990ern mit provokanten und mit Verbalinjurien gesättigten Miniaturen auf sich aufmerksam. Der Form nach waren diese frühen Internetpublikationen an Günther Eichs "Maulwürfe" angelehnt, die website wurde bald zum Kult, leider gibt es sie - so wie Rainald Goetz' Abfall für Alle - nicht mehr und man kann nur auf eine Druckversion hoffen.
Heidelore Ströck lebt seit 2002 mit ihrer Tochter Chantal abwechselnd in München und Lüttich.
Das Buch[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]
Das 2007 bei Teichmann erschienene Buch "Wenn Lehrer Reisen" sieht nach aussen hin aus wie ein nüchternes Sachbuch, das Coverfoto zeigt Lehrer mit Strohhüten in der Toscana, die ein Glas guten Rotwein geniessen. Im Hintergrund tollen Kinder herum, die aussehen wie die Ochsenknecht Buben. Einer von den Lehrern sieht aus wie Uwe Ochsenknecht. Rechts unten ist in gelben Lettern ein Pressezitat abgedruckt: Absolut lesenswert! Brigitte
Der Inhalt[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]
Heidelore Ströck versucht, den reisenden Lehrer auf den Begriff zu bringen und spart dabei nicht mit Stereotypen. Die Grundaussage des Buches ist, dass Lehrer beim Überschreiten einer Staatsgrenze verzögerungsfrei zu Einheimischen mutieren, zumindest was ihre Intentionen und ihr Selbstbild anbelangt. Ströck stellt die provokante These auf, dass Lehrer, speziell Geografielehrer und Politische Bildung Lehrer sich ihrer Nationalität im Ausland schämen.
- "Zuhause jedoch sind sie stolz, welche ihres Landes zu sein und finden schon mal Fussball, den sie sonst verabscheuen, "eigentlich ganz nett", sobald das ganze Volkspack die Fahne schwingt, und empfinden einen reinen und ehrlichen, gesunden Patriotismus."
- "Er (der Lehrer) möchte genauso ursprünglich, authentisch und genügsam sein wie der Same im Norden, so lebensfreudig und entspannt wie der Italiener oder so stolz und traditonsbewusst wie der Spanier. Kaum ist der Lehrer in irgendeinem Kuhdorf angekommen, schon ist er mit einer einheimischen Familie "gut befreundet". Im Fall Toscana - ein klassisches Lehrerreiseziel - wäre dies Luigi mit seiner Familie, er stellt ein kaltgepresstes Olivenöl allererster Güte her, dass man sonst nirgends bekommt in dieser Qualiät und zu diesem Preis. Wenn der Lehrer im nächsten Jahr wiederkommt, freut er sich schon Tage und Wochen vor dem Urlaub vor allem auf das Wiedersehen mit Luigi und seiner Familie."
Besonders abgesehen hat es Heidelore Ströck auf das (berufsbedingte) Sendungsbewusstsein des Lehrers:
- "Am meisten fürchtet der Lehrer, dass man ihn für einen Touristen hält, denn er verabscheut alles Touristische zutiefst. Er meidet die "touristischen Trampelpfade" und ist stets auf der Suche nach den einfachen, unverfälschten Menschen und Dingen. Der Lehrer bereitet sich gut auf die Reise vor, liest sich ein in die Geschichte des Landes und nimmt sich vor, Menschen und Kultur hautnah zu erleben, in ihnen aufzugehen, dazu benötigt er vor allem seine 8000 Euro teure Kameraausrüstung, denn zu Hause in Tauberbischofsheim wird er im Pfarrhaus für die einfache Dorfbevölkerung eine Multimedia Show veranstalten."
Am Ende des Buches holt Heidelore Ströck zu einem nachgerade gehässigen Rundumschlag aus und denunziert den Lehrer als einen "Rassisten, der es gut meint":
- "Der Lehrer hat keinen Begriff von Rassismus, das, was er tut, hält er für das schiere Gegenteil von Jenem. Dass die Menschen in fremden Ländern anders sind (in seiner Diktion: eine andere Mentalität haben), das denkt der Lehrer, und er findet es super. Dass das auch Rassismus ist, bloss andersherum, und manchmal auch zynisch (der bettelarme Ureinwohner, frei von jeglicher Chance auf irgendein Einkommen, wird stilisiert zum genügsamen, kultur- und traditionsbewussten Vorbild für uns alle), kommt dem Lehrer nicht in den Sinn."
Die Moral[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]
Heidelore Ströck rühmt sich im Vorwort, keine zu haben und keine zu beabsichtigen.
Wird schon so sein!
Artikel der Woche 28/2009
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