Egomanie
Die Egomanie (von Ego=Ich und Manie=Wahn) ist eine weit verbreitete Persönlichkeitsstörung, welche mit dem krankhaften Empfinden des Patienten einhergeht, er wäre etwas ganz Besonderes, und hätte daher auch außerordentlich viel Beachtung, Anerkennung und Respekt verdient.
Verhalten[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]
Der Egomane erwartet meist, dass er in einen Raum eintritt, und alle anderen machen den Kotau vor ihm. Wenn er dann mit dem letzten Glied seines kleinen Fingers zuckt, müssen die Anwesenden ihm seine Wünsche von den Augen ablesen. Spätestens aber, wenn er seine berechtigten Wünsche in jedermann leicht verständlicher Sprache vorträgt, hat dem jeder unverzüglich Folge zu leisten.
Da diese Erwartungshaltung normalerweise nicht erfüllt wird, gerät der Egomane sehr leicht in Rage und beglückt seine Mitmenschen mit Verwünschungen. Er versucht dann, an ihr anerzogenes Schamgefühl zu appellieren, denn sie sind ja nur unwürdige Kreaturen ohne jegliches Mitgefühl, welche durch ihr ehrabschneidendes Verhalten zu seiner, des Hochwohlgeborenen Gram ihren schandhaften Beitrag geleistet haben. Die Grundhaltung des Egomanen ist die Empörung.
Da dem Egomanen es völlig unerklärlich erscheint, warum seine plumpen Manipulationsversuche nicht in angemessener Weise gewürdigt werden, warum insbesondere viele verschiedene Menschen sich ihm gegenüber ungünstig erweisen, muss er zwangsläufig zu Verschwörungstheorien Zuflucht nehmen. Es kann keinen anderen Grund für derart hartnäckige Resistenz und Renitenz geben, als dass sich einige bösartige Individuen der Macht des verborgenen Wortes bedient haben, um sein hohes Ansehen in den Schmutz zu ziehen, ihn seiner Habseligkeiten zu berauben, ihn beim Innenminister anzuzeigen oder womöglich am Ende noch ein Mordkomplott gegen ihn zu schmieden.
Sollte es in der näheren Umgebung des Egomanen Menschen geben, die erfolgreich oder in seinem speziellen Berufszweig erfolgreicher oder zumindest ebenbürtig sind, wird der Erkrankte diese Zeitgenossen gnadenlos schlechtreden, denunzieren oder ignorieren, falls ihm tatsächlich einmal die Einsicht kommt, dass es neben ihm selbst auch noch andere talentierte Menschen auf diesem Erdball gibt.
Ursachen[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]
Die Ursachen der Egomanie liegen in einer unbewältigten Kindheit, genauer gesagt in einem ausgebliebenen Erwachsenwerden (Peter Pan-Syndrom). Der Patient hat nicht gelernt, die frühkindliche Beziehung zu den Eltern in einer angemessenen Weise auf seine mit ihm nicht verwandten Mitmenschen zu transformieren.
Dementsprechend verlangt der Patient auch als Erwachsener im übertragenen Sinne immer noch nach dem Fläschchen, dass man ihm die Windeln wechselt, und dass Mama und Papa mit der Schelle vor seinem oder ihrem Gesicht herumfuchteln. Wenn der Patient die ihm vermeintlich zustehende Aufmerksamkeit nicht unaufgefordert bekommt, dann versucht er, sie sich mit den Mitteln eines Kindes zu holen.
Erschwerend kommt hinzu, dass dem Egomanen oft eine außerordentlich moralische Erziehung zuteil geworden ist. Dies versorgt ihn einerseits mit hinreichend luziden Ansprüchen an rechtschaffenes, ehrhaftes, sauberes Verhalten, um ihm eine lupenreine und überzeugende Empörungshaltung zu ermöglichen. Andererseits sorgt sein ihm anerzogener hoher Anspruch an sich selbst und somit an andere für ein gerüttet Maß an Enttäuschungserlebnissen, welche ihm das Eingeständnis seines meist bereits seit Jahrzehnten währenden Irrtums praktisch unmöglich machen, und so die unwiderrufliche Festigung seiner Störung bewirken.
Kindheit[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]
Ein Kleinkind, welches der Gunst seiner Eltern hilflos ausgeliefert ist, ist darauf angewiesen, seine Bedürfnisse auf eine sehr elementare, ihm angeborene Art und Weise zu äußern. Wenn es Hunger oder Durst hat, schreit es, wenn ihm langweilig ist, quengelt es. Dies sind bei Kindern vollkommen normale und angemessene Verhaltensweisen, um das zu bekommen was sie zum Leben benötigen.
In fortgeschrittenerem Alter lernt das Kind zudem von den Eltern, wie eine Machtposition erfolgreich verwirklicht werden kann. Es lernt, dass auch seine Zuneigung ein wertvolles Gut für die Eltern darstellt. Möchte es etwas bestimmtes haben oder erreichen, dann droht es den Eltern mit Entziehung der Zuneigung. Das führt zu Äußerungen wie
- Wenn ich keine Süßigkeiten krieg, dann bin ich heute ganz arg genervt
- Ich räum mein Zimmer nur auf, wenn ich fernsehen darf
- Mir is langweilig, spiel doch was mit mir
- Spinat ist Scheiße
Auch hier hat sich das Kind erfolgreich an das übliche Sozialverhalten adaptiert. Das Kind zeigt ein natürliches Bedürfnis, die Angelegenheiten des täglichen Lebens auszuhandeln, wie Erwachsene dies auch tun. Durch geschickte Lenkung dieser Bedürfnisse können die Eltern ihrem Kind auf einer gleichberechtigten Beziehungsebene vermitteln, dass das Zusammenleben ein Geben und Nehmen ist. Adäquate Reaktionsweisen der Eltern sind daher
- Ja, du kriegst deine Süßigkeiten, aber dann lässt du mich gefälligst in Ruhe, ich hab meine Migräne
- Okay, du darfst fernsehen, aber nur bis 11 und nur zwei Horrorfilme, und danach räumst du noch dein Zimmer auf
- Schätzchen, wir haben dir so viele Spielsachen gekauft, spiel doch mal damit. Das kostet alles Geld, weißt du
- Wenn du noch einmal Scheiße sagst, dann sitzt du hier, bis du deinen Spinat aufgegessen hast
Kinder, die auf solch effiziente und moderne Art und Weise auf das Leben vorbereitet wurden, haben in ihrem Erwachsenendasein nur Probleme. Sie haben gelernt, dass selbst wenn sie etwas bekommen, sie trotzdem nichts bekommen. Sie fordern daher konsequenterweise immer mehr von ihren Mitmenschen ein, und die Tragfähigkeit ihrer Beziehungen wird dadurch auf eine harte Probe gestellt. Dies läuft dann meist so ab
- Frau verlässt Mann, weil er ihre wahren Bedürfnisse nicht erspüren kann. Frau hat auch vorgesorgt und sich schon einen Anderen in der Hinterhand gehalten, um leichter von ihrem Ex loszukommen. Mit dem Neuen funktioniert es scheinbar für einige Zeit, doch dann merkt sie, welche Bedürfnisse ihr Ex wirklich befriedigt hat. Sie kehrt zu ihm zurück doch hält es nicht lange...die unendliche Geschichte.
- Mann kommt in ein Restaurant und muss eine Minute auf den Kellner warten. Der Kellner wird erstmal angeraunzt, was das denn für ein Service sei, und überhaupt. Der Kellner bringt das Bestellte, und der Mann verzehrt. Nach vollzogener Mahlzeit möchte der Mann noch etwas zu trinken bestellen, aber jetzt lässt der Kellner nicht eine Minute auf sich warten, sondern kommt überhaupt nicht mehr. Wen wundert es ?
- Ein berühmter Vater überhöht das eigene Kind (meistens den Sohn) als „Wunderkind“, auf dass es einmal in seine eigenen Fußstapfen treten und sein Lebenswerk weiterführen möge. Das Kind wird erwachsen, entwickelt eigene, nicht den Vorstellungen des Vaters entsprechende Interessen, ein eigenes Ego und sehnt sich nach der Anerkennung des Vaters, merkt aber, dass es diese nur zugeteilt bekommt, wenn es tut, was der egomanische, nur mit seinen eigenen Interessen beschäftigte Mann von ihm verlangt. Es kommt zum Bruch zwischen Vater und Sohn, da der Sohn sonst an der Hybris seines Vaters ersticken würde, woraufhin sich der Stamm des Apfels beleidigt zurückzieht und nie wieder mit seinem Sohn spricht. Der Sohn entwickelt sich daraufhin seinerseit zum Egomanen, da er meint, seine eigene Persönlichkeit besonders von der seines Schöpfers abzugrenzen zu müssen und ist fortan nur noch mit sich selbst und der Definition seines Egos beschäftigt.
- Ein neuer Benutzer meldet sich in einem Wiki an. Anfangs recht freundlich, beginnt ihm bald das Eine oder Andere zu missfallen. Da er gewohnt ist, dass alle nach seiner Pfeife tanzen, wird er zunehmend aufdringlicher, was seine Wunschvorstellungen anbetrifft, und akzeptiert auch nicht die mehrheitlich ablehnende Meinung der Mitbenutzer. Irgendwann pickt er sich ein beliebiges unerfreuliches Erlebnis im Wiki heraus und verabschiedet sich mit etwa immer denselben Worten: So, jetzt reicht's, ich habe genug von diesem ganzen Verein. Seht zu wie ihr ohne mich klarkommt. Ihr habt mich dazu gezwungen. Ich habe mich für euch aufgeopfert, und das ist der Dank.. Tatsächlich hat er einen Großteil seiner Zeit damit verbracht, seine Kollegen mit fruchtlosen Streitereien von der produktiven Arbeit abzuhalten.
Soziale Konsequenzen[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]
Die Überzeugung des Egomanen, etwas ganz Besonderes zu sein äußert sich in vielerlei Hinsicht:
- Die Kritikfähigkeit lässt extrem nach und verhindert eine objektive, selbstkritische Sicht des Erkrankten auf die Dinge des alltäglichen Lebens und sein eigenes Tun. Die Sucht nach Aufmerksamkeit und Anerkennung wird so stark, dass sich zunehmend alle Mitmenschen des Erkrankten aus dessen Umfeld zurückziehen, da sie seine selbstherrliche, selbstüberschätzende Art nicht mehr ertragen können.
- Egomanen sind oft sehr ungerecht in der Beurteilung ihrer Mitmenschen. Devote Kriecher, die dem Egomanen seine tägliche Dosis an Aufmerksamkeit und Lob spenden, werden als Freunde akzeptiert, Menschen, die dem Kranken ihre ehrliche Meinung sagen werden hingegen von diesem ausgegrenzt und diffamiert.
- Die Überzeugung, allwissend zu sein, begleitet viele Egomanen auf ihrem Lebensweg. Auch wenn nur ein Halbwissen oder gar keine Bildung in einem gewissen Bereich vorliegt, meint der Gestörte, er hätte die Weisheit mit Löffeln gefressen und wüsste über alles und jeden Bescheid.
- Er überrascht seine Bekannten und Verwandten stets mit mehr oder weniger, zunächst meist aber weniger treffenden Mutmaßungen über ihre feindselige Haltung ihm gegenüber. Anfangs noch unbegründet, wandeln sich diese Unterstellungen aber recht schnell in unfreiwillig selbstironische Schilderungen der Konsequenzen der eigenen distanzlosen moralischen Aufdringlichkeit des Erkrankten.
Berühmte Egomanen[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]
- Nero Claudius Caesar Augustus Germanicus
- Klaus Kinski
- Horst Möller
- Markus Söder
- Donald Trump
- Adolf Hitler
Literatur[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]
- Herr Wendriner erzieht seine Kinder, Kurt Tucholsky, Berlin 1925, ISBN 1-029-38475-6
Artikel der Woche 24/2007
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