UnBooks:Wie man einen Tobsuchtsanfall bekommt
Dieser Text ist eine Übersetzung von en:HowTo:Throw a temper tantrum und steht unter einer CC License. |
Okay, du bist also zwei Jahre alt und müsstest längst im Bett sein. Es war ein langer Tag voller Abenteuer, Dreck und interessanter kleiner Würmer in deiner Sandkiste. Es gibt heute nichts Süßes mehr, sagen die Großen. Deine Backen (beide Paare) wurden getätschelt, gekniffen und, wenn du mein Kind wärst, auch schon mal abgewatscht. Deine Windel ist feucht, oder du schleppst einen ordentlichen Klumpen müffeliges A-a mit dir herum, und um ehrlich zu sein, so ganz taufrisch fühlst du dich wirklich nicht mehr. Und gerade als du kurz vorm Wegnickern bist, maulen deine Eltern dich an, dass du nicht mit dem Messer in der Steckdose herumstochern sollst.
Kurz gesagt: du warst schon mal besser drauf.
Wie's aussieht, wird es mal wieder Zeit für einen ordentlichen Tobsuchtsanfall. Wie wär's?
Was ist ein Tobsuchtsanfall? Eine Anleitung für Kinder[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]
Ein Tobsuchtsanfall ist deine Art, mit dem Stress fertigzuwerden, der sich daraus ergibt, dass du ein Kind bist in einer Welt, die mehr Vernunft fordert, als dein süßes kleines Hirn derzeit erzeugen kann.
Oder einfacher ausgedrückt, laut der Genfer Kleinkinderkonvention von 1918 steht dir das unveräußerliche Recht auf einen Wutausbruch in folgenden Fällen zu:
- Wenn es nicht nach dir geht
- Wenn du etwas teilen sollst, aber nicht willst
- Wenn du dein Lieblingsspielzeug kaputtgemacht hast
- Wenn du zu viel Kaffee getrunken hast
- Wenn's dir einfach reicht und du es ihnen mal ordentlich zeigen willst.
Das Tao des Tobsuchtsanfalls, ein empfindliches Gleichgewicht[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]
Unleitung Dieser Artikel ist teil der UnBooks-Serie "So wird's gemacht". |
Der erfolgreiche Tobsuchtsanfall besteht aus zwei Hauptkomponenten: der Tobsucht (d. h. der grundsätzlichen schlechten Laune) und dem Anfall (d. h. der explosiven Dekompression deiner miesen Stimmung, die du der Welt nicht anders verständlich machen kannst, schon gar nicht mit Worten).
Es ist von Bedeutung, diese beiden Komponenten so gut wie möglich im Gleichgewicht zu halten, um die beste Wirkung zu erzielen. Wenn du die schlechte Laune übertreibst, wirst du wahrscheinlich als "schwierig" abgestempelt - wenn du zu wenig schlechte Laune aufbringst, dann wird man dich für eine Heulsuse halten. Wenn dein Anfall zu lahm ausfällt, wird man dich nicht ernst nehmen - wenn er zu heftig wird, werden sie das Betäubungsgewehr holen.
Wenn du zu den Kindern gehörst, die ihre Gefühle nicht sofort ausleben und statt dessen deine Empfindungen von Scham, Entfremdung, Tollpatschigkeit, Verlegenheit, Erniedrigung und Zwangsvorstellungen erstmal in dich hineinfrisst, dann wirst du später von deinen Nachbarn wahrscheinlich beschrieben als "ein ruhiger Typ, eher zurückhaltend", "immer nett und freundlich", "wie konnten wir ahnen, dass er die Leichenteile in der Krabbelecke vergraben hat".
Also, ein Tobsuchtsanfall ist eine feine Sache und trägt zu deiner geistigen Gesundheit bei. Lass es raus. Sonst sitzt du später mit anderen Leuten zusammen, die es auch nicht rausgelassen haben, und deswegen auch nicht mehr rausgelassen werden.
Das perfekte Unwetter zusammenbrauen[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]
Ein perfekter Anfall kann zu Hause oder in der Öffentlichkeit (im Einkaufszentrum, bei Oma, im Kindergarten usw.) stattfinden und sollte aus jeder der folgenden Listen mindestens ein Element aufweisen:
1. Dein Allgemeinbefinden
- Übermüdet
- Lange kein A-a mehr produziert, wäre aber nötig
- Quengelig
- Mit Süßigkeiten vollgestopft
- Von Natur aus böse
- Voller Angst, dass du nicht mehr Mamis und Papis Liebling bist, weil du mitbekommen hast, dass dem neuen Baby viel mehr Liebe zuteil wird als dir jemals
2. Deine Eltern (oder sonstige Erziehungsberechtigten) möchten von dir
- Dass du einen Mittagsschlaf hältst
- Dass du nicht mit dem Messer spielst
- Dass du ins Auto einsteigst
- Dass du aus dem Auto aussteigst
- Dass du nicht so dicht auffährst
- Dass du badest (oder Zähne putzt, falls vorhanden, oder beides)
- Dass du nicht auf den leuchtendroten Knopf drückst
- Dass du deinen kleinen Bruder (bzw. Schwester) in Ruhe lässt
3. Nachdem sie dich freundlich aufgefordert haben, heizt du die Stimmung an, indem du
- Sie ignorierst
- Auf die Straße läufst
- Sachen nach ihnen wirfst
- Grinsend auf den leuchtendroten Knopf drückst, immer und immer wieder (oder wenigstens so tust)
- Die Arme verschränkst und dich trotzig auf den Boden hockst
- Schmollst und ein halbherziges "Nein" murmelst
- Die Zähne fletschst und laut "NEIN!" schreist, als ob es dir ernst ist
- Deinen kleinen Bruder (bzw. Schwester) in die Spülmaschine setzt
4. Deine Eltern (bzw. sonstige Erziehungsberechtigte) gehen mit deinem Verhalten wie folgt um:
- Sie ignorieren dich
- Sie schreien dich an
- Sie befehlen dir mit strenger Stimme, ihnen nun endlich zu gehorchen
- Sie packen dich am Ohr und zerren dich ins (bzw. aus dem) Auto
- Sie geben nach und du kriegst noch einen Keks oder vier
- Sie sagen dir, dass sie dich niemals liebhatten, oder schlimmer noch, dass Mami bzw. Papi abgehauen sind, weil sie dich hassen und wünschen, du wärst nie geboren worden
- Sie nehmen dir deinen Bruder (bzw. Schwester) weg und durchkreuzen dadurch deine Pläne, wieder die erste Geige spielen zu können
Der große Knall[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]
Wenn du - nachdem eine entsprechende Kombination der genannten Ereignisse eingetreten ist - plötzlich einen Moment der Stille erlebst, das Gefühl, mit dem Universum eins zu sein, wenn ein Eisklumpen in deinem Bauch entsteht und die ganze Welt plötzlich blutrot aussieht, dann hast du ES.
Wie bei jedem Sport, musst du ES einfach nur kommen lassen. Fühle die Stille, fühle die Welle der Emotionen über dich hereinbrechen (und über alles andere im Umkreis von 5 Kilometern), lass dich vom Hass übermannen, lass dich davontragen. Das wird ein Hammer, du spürst es schon. Was die Einzelheiten betrifft, such dir eine oder mehrere Optionen aus der folgenden Liste aus:
- Schrei
- Schrei wie am Spieß
- Schrei, als ob jemand deiner Mutter das Herz herausreißt und es vor deinen Augen verzehrt - oder schlimmer noch - schrei, als ob dir jemand deinen Teddy weggenommen hat!
- Wälze dich auf dem Boden! Besser noch, krümme und winde dich auf dem Boden vor Schmerzen. Mach es dramatisch! Dramatisch!!
- Tritt nach allen Seiten aus
- Versuch, dabei Opas Eier zu treffen
- Tritt das Gaspedal voll durch
- Drück wirklich und entschlossen auf den leuchtendroten Knopf und vernichte alles Leben auf diesem Planeten
- Halt die Luft an, bis du ohnmächtig wirst
- Schrei "NEIIIIINN" so laut du kannst (stell dir einfach vor, jemand würde deinen Teddy misshandeln)
- Wirf dein Lätzchen nach deinen Eltern
Wenn du noch einen draufsetzen willst, hock dich hin, als ob du ein wirklich steinhartes Käckerchen herauspressen müsstest - worauf es ankommt, ist einfach, dass du dich so verausgabst, dass dein Gesicht knallrot anläuft, und dann lass alles auf einmal raus, mit einem durchdringenden Kreischen. Versuch es doch gleich mal! Ja!! Das ist es!!! Lass die Nachbarn denken, dass deine Mutter dich gerade absticht wie ein Schwein (in gewissem Sinne verrät sie dich ja auch jeden Tag, weil sie schließlich nur darauf aus ist, ihren süßen kleinen Hosenscheißer für immer für sich zu behalten.)
Hör nicht auf. Mach solange weiter, bis du wirklich erledigt bist, dein Hals weh tut und dein Vater dich wie ein Schraubstock im Griff hat.
Die Ruhe danach[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]
Wenn du es geschafft hast, hast du gerade jeden Funken Energie abgegeben, den dein junger Körper hervorbringen kann. Alle Aggressionen werden verraucht sein und du wirst einen tiefen inneren Frieden verspüren. Du wolltest keinen Mittagsschlaf halten? Jetzt klingt der Vorschlag plötzlich sehr verlockend. Du spürst, dass morgen auch noch ein Tag ist, dass die nächste Gelegenheit, dich als gesundes und lebhaftes Kleinkind zu beweisen, früh genug kommen wird.
Aber vor allem spürst du Stolz. Stolz auf deine Leistung und dein Können, und das Wissen, dass du es wieder tun kannst. Jederzeit.