UnNews:Der Unrücktretbare
Berlin (Deutschland), 28.03.2009: Der Chef der Deutschen Bahn AG, Hartmut Mehdorn, hat momentan einen sehr anstrengenden und tagesfüllenden Job. Morgens: Rücktritt ablehnen. Vormittags: Rücktrittsgerüchte strikt dementieren. Mittags: Bloß nicht versehentlich zurücktreten. Nachmittags: Rücktritt strikt zurückweisen. Abends: Keinen Anlass zum Rücktritt sehen. Nachts: Schweißgebadet aufwachen und alle Rücktrittsalpträume verdrängen. Und dazu beständig die Klebstoffschicht auf seinem Sitzpolster erneuern.
Wie schafft der Mann dieses Pensum, ohne auf Alkohol oder Drogen zurückzugreifen? Als Bahnchef muss man wohl ein sehr dickes Fell haben. Wer sich schon nicht im Geringsten um die Bedürfnisse der Kunden schert, warum soll derjenige mehr Rücksicht auf irgendwelche aufdringlichen Journalisten nehmen, die ihm ständig mit Rücktrittsforderungen auf die Nerven gehen?
Aber so oder so, früher war sein Job bei weitem nicht so anstrengend. Er hatte den ganzen Tag lang nichts anderes zu tun als keine Ahnung von irgendwelchen Mitarbeiterüberwachungsaktionen zu haben, nichts von E-Mail-Spitzeleien zu wissen, Verspätungen abzustreiten, Strecken stillzulegen, Konkurrenten zu blockieren und mit seinem Konzern dreimal täglich an die Börse zu gehen und dabei zu scheitern. Das waren noch geruhsame Zeiten!
Nun, heute wissen wir, dass er auch anders kann. Und mit seiner überragenden Rücktrittsresistenz empfiehlt sich Mehdorn im Grunde für höhere Aufgaben. Er könnte Bundeskanzler werden, Yndrea Asylanti oder sogar US-Präsident. Die Politik braucht Menschen, die nicht schon beim vier-und-zwölften Skandal gleich das Handtuch werfen. Ja, Mehdorn könnte sogar Aufgaben übernehmen, die noch härter sind als die Politik, Aufgaben, die eine übermenschliche Beharrlichkeit und Selbstüberschätzung erfordern: Ganz klar, Mehdorn ist der ideale Kandidat für den Cheftrainerposten beim FC Schalke 04!
Breaking News[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]
Am heutigen Montag, dem 30.03.2009, ist Hartmut Mehdorn sein Posten dann doch irgendwie abhanden gekommen. Nachdem bereits der Kölner Oberubahnmeister Fritz Schramma, der schleswig-holsteinische Wirtschaftsminister Werner Manette und der Detroiter Automechaniker Rick Wagoner ihre Ämter zur Verfügung gestellt hatten, wollte Mehdorn sich auch nicht lumpen lassen und legte nach.
„Meine fast zehn Jahre bei der Bahn waren eine tolle Zeit“ erklärte Mehdorn zum sentimentalen Abschied. „Ein bisschen verrückt waren wir schon. Ganze Nachmittage haben wir mit dem Lesen von Mitarbeiter-E-mails verbracht oder neue Streiche gegen die Bahnkunden ausgeheckt. Was haben wir gelacht!“