UnNews:Ethik für Dummies
Dieser Artikel verletzt absichtlich religiöse Gefühle und erfüllt somit die Kriterien für gute Satire. Shalömle!
Berlin (Deutschland), 15.04.2011: In diesen Tagen finden im politischen Berlin zum ersten Mal die Ethik-Wochen statt. Angesichts der urplötzlichen Erkenntnis, dass die Nutzung der Atomkraft vielleicht doch zur Auslöschung der Menschheit geeignet ist, stoßen Politiker auf Fragen, die sie nicht mehr mit dem üblichen ausweichenden Gewäsch beantworten können, auch wenn sie es vielleicht gerne möchten. Dazu kommt aktuell noch das Thema Präimplantationsdiagnostik, von dem merkwürdigerweise viele Politiker glauben, dass es sich ebenfalls um eine der großen „letzten Fragen“ der Menschheit handelt - um eine Ethik-Frage also.
Ethik ist etwas, das viele Politiker überfordert. Deshalb wird sie gern in Ethik-Kommissionen ausgelagert oder es wird sogar das letzte Heiligtum der parlamentarischen Demokratie geopfert: der Fraktionszwang. Normalerweise hat jeder Politiker feste Regeln, nach denen er oder sie ihre Entscheidungen zu treffen pflegt: bei Helmut Kohl und Angela Merkel ist es das Machtkalkül, bei Sigmar Gabriel, Oskar Lafontaine oder Claudia Roth ist es die Ideologie, bei Guido Westerwelle ist es der Trend aus der letzten Umfrage.
Alles, was sich nicht nach diesen einfachen Maßstäben messen lässt, fällt unter Ethik. Und macht Kopfschmerzen. Dabei ist Ethik gar nicht so schwierig. Im Rahmen der UnNews-Serviceoffensive soll an dieser Stelle daher ein kleiner Ethik-Grundkurs angeboten werden, für Politiker, aber natürlich auch für jeden sonstigen Interessierten, dem die einfachen menschlichen Werte vielleicht gerade abhanden gekommen sind.
Was ist richtig und was ist falsch?[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]
Früher war die Sache mit der Ethik gar nicht so schwierig. Was richtig und was falsch war, wurde dem Menschen von der zuständigen Gottheit mitgeteilt. Auch heute verfügen viele Menschen immer noch über direkte ethische Anleitung durch den zuständigen Priester, Schamanen oder Ayatollah. Falls auch Sie zu den Glücklichen gehören, die über eine solche höhere Instanz verfügen, benötigen Sie so etwas Profanes wie Ethik tatsächlich gar nicht. Sie können diesen Kursus getrost überblättern. Sind Sie Politiker, so sollten Sie sich stattdessen für die Einführung eines Gottesstaates einsetzen - in einem solchen bleiben natürlich keine ethischen Fragen offen.
Wer aber von keinem Gott instruiert wird oder diesen Instruktionen möglicherweise nicht hundertprozentig vertraut, woher soll der seine Werte nehmen? Einige verwegene Leute wie Sokrates oder René Descartes haben vorgeschlagen, es mit Nachdenken zu versuchen. Das ist natürlich eine harte Zumutung, und Sokrates musste den Vorschlag noch mit dem Leben bezahlen, aber ganz so schlimm ist es heute nicht mehr, und das Nachdenken ist heute als Mittel zur Problemlösung fast überall zulässig. Versuchen wir es also einmal damit.
Aber wo fangen wir an? Wenn wir über Werte nachdenken wollen, aber keine gottgegebenen Wahrheiten als Ausgangspunkt haben, was bleibt uns dann noch? Descartes schlug vor, zunächst einmal nichts als gegeben anzunehmen und sagte dann „Ich denke, also bin ich.“ Das sei eine Wahrheit, von der man getrost ausgehen könne, so Descartes. Damit hat er sicher recht, allerdings kommen wir damit noch nicht allzu weit.
Die nächste, darauf aufbauende Frage, die uns wirklich weiterbringt, wurde erst im 20. Jahrhundert von dem großen Denker Robert Lembke gestellt, nämlich „Was bin ich?“. Dabei war diese Frage nach Descartes' Anfang wirklich naheliegend. Und die Antwort darauf ist im allgemeinen: Ich bin ein Mensch. (Falls Sie, lieber Leser, gar kein Mensch sind, sondern irgendein anderes hochbegabtes Säugetier oder meinetwegen ein Außerirdischer, treffen die folgenden Überlegungen möglicherweise nicht auf Sie zu. Wir müssen Sie dann wohl auf den Ethik-Kursus für Fortgeschrittene vertrösten.)
Nehmen wir also als gegeben an, dass Sie und ich Menschen sind, und die ganzen Gestalten um uns herum ebenso. Dann wäre es doch naheliegend, unsere Ethik auf dieser Erkenntnis aufzubauen! Die Grundfrage der Ethik – was ist richtig und was ist falsch? – beantworten wir also in erster Näherung so: Gut ist, was Menschen nützt und sie weiterbringt. Schlecht ist, was Menschen schadet und sie gefährdet.
Diese Erkenntnis ist so simpel, dass sie fast schon billig erscheint. Gegen so etwas wie die Zehn Gebote, den Koran oder andere lehrreiche Märchenbücher kann sie eigentlich nicht anstinken. Bei näherem Hinsehen stellt man aber fest, dass wir jetzt nicht als erste darauf gekommen sind, sondern schon der olle Konfuzius so etwas verbreitet hat. Er sagte Was man mir nicht antun soll, will ich auch nicht anderen Menschen zufügen. Kommt uns dieser Spruch nicht irgendwie bekannt vor? Auch Buddha stieß ins gleiche Horn, und ein weiser Jude sagte einst Was dir verhasst ist, das tue deinem Nächsten nicht. Das ist die ganze Tora, alles andere ist Auslegung. Damit ist klar, dass schon Jesus die Idee der Nächstenliebe bei anderen abgeschrieben hat, kein Wunder also, dass er wegen dieses Plagiats später Ärger bekam.
Aber genug abgeschweift. Zeit für einen ersten Praxistest unserer simplen Ethik. Mord und Totschlag? Klarer Fall, unethisch. Homosexualität? Schadet niemandem, ethisch also in Ordnung. Inzest unter Geschwistern? Richtet wenig Schaden an, außer einem erhöhten Krankheitsrisiko für eventuellen Nachwuchs. Dieses Risiko haben aber auch Kinder älterer Eltern. Inzest ist ethisch also genau so zu bewerten wie Sex zwischen über 40jährigen.
Es scheint, unser kleines Ethiksystem ist alltagstauglich. Dann können wir auch zum Großversuch übergehen.
Ethik und Atomkraft[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]
Als die Atomkraft erfunden wurde, war ihre ethische Bewertung für alle Beteiligten zunächst mal ein klarer Fall. Sie ist natürlich dem Menschen nützlich, denn sie liefert jede Menge Energie, mit der man Kühlschränke und Computer und Aluminiumwerke betreiben kann, lauter nützliche Dinge. Auf der anderen Seite steht ein gewisses Risiko, dass auch Menschen gefährdet werden können. Ohne ein solches Risiko ist Fortschritt allerdings nirgendwo zu haben, wir haben uns deshalb angewöhnt, Nutzen und Risiken gegeneinander abzuwägen.
Als Beispiel für eine solche pragmatische Abwägung können wir den Straßenverkehr heranziehen: Schon im Altertum wurden immer mal Leute von Pferdefuhrwerken plattgefahren, und heute nehmen wir einige tausend Tote jedes Jahr im Straßenverkehr in Kauf, auch das Risiko unseres eigenen plötzlichen Ablebens, ohne dass uns dies besondere ethische Kopfschmerzen bereitet. Nun haben uns Tschernobyl und Fukushima gelehrt, dass es die Atomkraft gelegentlich ganz schön krachen lässt und ganze Landstriche unbewohnbar macht. Aber auch das könnten wir immer noch gegen den Nutzen der Atomkraft abwägen.
Tatsächlich gibt es auch Experten, die sich mit kaum etwas anderem beschäftigen als mit der Abwägung von Risiken: Versicherungen. Im Straßenverkehr haben wir die ethische Beurteilung zum Beispiel fast komplett den Versicherungen überlassen. Wir zahlen einfach unsere Haftpflichtprämie, und wenn es mal scheppert und wir einen Motorradfahrer übersehen, dann zahlt die Versicherung ihm den Rollstuhl und alle sind zufrieden.
Was spräche dagegen, es bei der Atomkraft genauso zu machen? Man möge die Atomkraft einfach gegen die damit verbundenen Risiken und Folgekosten haftpflichtversichern. Die entsprechenden Prämien müssten natürlich auf den Preis für den damit erzeugten Strom aufgeschlagen werden, und damit hätten wir die perfekte Nutzen-Risiko-Abwägung. Natürlich wird das nicht ganz billig, denn die Kapitalkosten für ca. eine Million Jahre sicherer Atommüll-Endlagerung und die Rückstellungen für die Entschädigungen hunderttausender Bewohner zerstörter Landstriche sind keine Kleinigkeit. Aber diese Details können wir eigentlich ruhig den Versicherungen überlassen. Damit wäre dieser Fall geklärt. Gern geschehen, Frau Merkel.
Das war doch leicht! Und eine Ethik-Kommission hätte es dafür wirklich nicht gebraucht. Damit können wir uns gleich einer härteren Nuss zuwenden:
Ethik und Präimplantationsdiagnostik[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]
Präimplantationsdiagnostik, was war das noch gleich? Ein Mediziner führt in der Petrischale eine künstliche Befruchtung durch und untersucht anschließend die Embryonen auf Erbkrankheiten. Ein Embryo, der welche hat, wird nicht eingepflanzt und darf nicht zum Kind heranwachsen.
Was machen wir an dieser Stelle mit unserer Simpel-Ethik? Eigentlich liegt der Nutzen für den Menschen klar auf der Hand: die Kinder, die geboren werden, haben weniger Risiken für Erbkrankheiten. Auf der anderen Seite werden aber Embryonen vernichtet. Ist das an Hand unserer vereinfachten Ethik erlaubt oder nicht? Mit anderen Worten, wir müssen uns die Frage stellen: Ist ein Embryo ein Mensch?
Um dies zu beantworten, schauen wir uns den Vorgang mal näher an. Der Embryo entsteht aus einer Eizelle und einer Samenzelle. Der Verlust einer Eizelle allein ist ein Schicksal, das zahllose Frauen Monat für Monat erleiden, und nur die wenigsten betrauern dies und begraben ihren Tampon feierlich. Bei der Samenzelle sieht es ähnlich aus: wenn Papa sich in einer ruhigen Minute einen von der Palme wedelt, überlässt er Milliarden von Samenzellen dem sicheren Verderben, und auch hier spricht niemand vom Verlust von Menschenleben.
Aber das Produkt der beiden Zellen, der Embryo? Wir wissen, dass nach neun Monaten ein fertiger Mensch daraus entsteht. Wir wissen auch, dass bereits viel früher ein lebensfähiger Mensch daraus entstanden sein kann. Wir können also nicht genau den Finger auf den Zeitpunkt legen, an dem aus dem Embryo ein Mensch geworden ist. Aber schon nach wenigen Tagen?
Das wäre kaum zu begründen. Und doch gibt es viele Leute, die annehmen, dass bereits in der Sekunde der Zeugung ein Mensch entsteht. Allerdings nehmen diese Leute meist an, dass in der Sekunde der Zeugung die jeweils zuständige Gottheit eine unsterbliche Seele in den Embryo einpflanzt. Wenn man dies annimmt, dann ist der Fall klar, dann ist es ein Mensch und damit schützenswert. Wenn nicht, dann ist es doch eher eine mikroskopisch kleine Zellansammlung.
Als Entscheidungshilfe für die Politik also immerhin dies: Wenn Sie, lieber Politiker, der Meinung sind, dass die Zeugung ein mystisch überhöhter Vorgang ist, in dessen Zuge der Embryo bereits von dritter Stelle die Eigenschaft des Menschseins verliehen bekommt, so stimmen Sie bitte gegen die Präimplantationsdiagnostik. Andernfalls aber wäre es ethisch korrekt, für die PID zu stimmen. In jedem Fall aber wird Ihre Wähler sicher interessieren, wie Sie darüber denken.
Ausblick auf den Fortgeschrittenenkurs[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]
Wir sehen, wir kommen mit unserer einfachen, am Menschen orientierten Ethik schon recht weit, aber sämtliche Fragen beantwortet auch sie nicht. Spätestens wenn es etwa darum geht, wie wir mit Tieren umspringen, reichen unsere einfachen Merksätze nicht mehr aus. Um dies zu beantworten, werden wir noch einmal zu Robert Lembke zurückkehren müssen und die Frage Was bin ich? vielleicht etwas weitergehend beantworten. Doch das ist ein Thema für den F-Kurs. Ein Termin für den Fortgeschrittenenkurs steht noch nicht fest, aber auf Wunsch eröffnen wir gern schon mal eine Warteliste. Hat es Ihnen gefallen, so tragen Sie sich doch schon mal ein.
Haftungsausschluss[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]
Wichtiger Hinweis: Sie sollten sich für Ihre persönlichen ethischen Grundsätze nicht ausschließlich auf die polemischen Aussagen von Satirikern verlassen. Für die Folgen der hier vorgestellten Ethik und eventuelle Abstimmungsergebnisse im Bundestag können wir leider keine Haftung übernehmen.