Italowestern
„Italowestern, ja?! Ich hasse sie! In einem echten Western kriegt der Held am Ende das Mädchen und der Böse ist tot. In einem Italowestern wird der Held noch im Abspann erschossen... wenn es ein Happy End ist.“
- ~ John "The Duke" Wayne über Italowestern
Der Italowestern (in Deutschland auch Spaghettiwestern) ist entstanden, als in Italien versucht wurde, ein Filmgenre zu erschaffen, dass massenkompatibel ist und sich gleichzeitig von gängigen seitens Hollywood etablierten Standards emanzipieren sollte. Was den Erfolg dieser Anstrengungen betrifft, ist die Fachwelt uneins, denn Emanzen in Italowestern sind eher Mangelware. Wohl treten von Zeit zu Zeit sogenannte „Flintenweiber“ auf; jedoch gab es diese weibliche Nebenrolle bereits auch in den klassischen amerikanischen Western.
Abweichungen zu amerikanischen Western[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]
Die unten anschließende Tabelle zeigt die wichtigsten Unterschiede zwischen US- und Italowestern. Details untergeordneter Natur, wie zum Beispiel der Drehort (US-Western: USA; Italowestern: Spanien) werden nicht berücksichtigt.
Element | Amerikanischer Western | Italowestern |
---|---|---|
Held | moralisch überlegen, integer, hat eine Mission oder zumindest eine Botschaft und selbst nach einem dreiwöchigen Ritt durch die texanische Wüste oder die Wälder Colorados ist die Cowboy-Kluft noch sauber und knitterfrei und der Colt glänzt. Gewinnt das Duell zum High Noon durch seine überragende Versiertheit mit dem Colt. | versifft, dreckig, schießt beim Duell in den Rücken, wenn der Gegner dabei ist, seine Position einzunehmen, foltert und schlitzt Kehlen auf |
Feindbild | Indianer, Konföderierte | Mexikaner, Iren, alles, was gerade vor die rostige Flinte gerät. Es gibt keine Feinde, nur Ziele. |
Sidekicks | sympathischer ungewaschener Wirrkopf mit ungepflegtem Vollbart und leichten alkophilen Tendenzen, sarkastische Ärzte, Heldenlehrlinge mit miserabler Schießfertigkeit | alkoholabhängige Totengräber, heruntergekommene Zirkusartisten, talentlose Gauner |
Frauen | entweder treusorgende Heimchen am Herd oder Flintenweiber, die sich zu Erstgenannten entwickeln | kratzbürstige Flintenweiber oder verhärmte Bauernmädels; eine Vergewaltigung Minimum pro Italowestern |
kultigste Waffe | Colt, Winchester | Derringer (customized), Gatling (im edlen Transportsarg), Winchester (im Banjo), Eisenkrallen, zwischen den Füßen gespanntes Gummiband+Stahlkugel |
Schurken[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]
Im Gegensatz zu Schurken in amerikanischen Western, die meist durch exorbitante Hinterhältigkeit ihre Feigheit überspielen und mit einem überlegenen Arsenal an Mensch und Material aufwarten, während sie in Edelranchen in feinsten Zwirn gekleidet besten französischen Cognac schlürfen, ist der Italowesternschurke oft auf den ersten Blick nicht vom Italowesternhelden zu unterscheiden. Zuweilen erkennt man ihn erst nach der ersten Vergewaltigung oder Frauen-, seltener auch Kindermord. Zudem ist er nicht ganz so feige wie der Hollywoodschurke und im Allgemeinen nur darauf bedacht, sich seinem Antigonen gegenüber einfach nur einen Vorteil zu erarbeiten. Wenn nötig unter exorbitantem Einsatz an Mensch und Material, während er in feinsten Zwirn gehüllt auf seiner Edelhazienda erlesensten spanischen Sherry süffelt.
Überschneidungen[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]
Im Wesentlichen liegt die Überschneidung zwischen Italowestern und US-Western darin, dass auch in US-Western Mexikaner die Rolle der Indianer übernehmen können. Mexikanische Räuberhauptmänner sind in beiden Fällen frauenschlagende, vergewaltigende, saufende, versiffte Unholde, die mindestens eine Machete mit sich herumschleppen. Gelegentlich kann es sich auch um einen "Commandante" der mexikanischen (bzw spanisch-habsburgischen) Armee handeln, wodurch die Räuberbande dann durch die spanisch-habsburgische Kolonialtruppe ersetzt wird. Die personellen Unterschiede im Gefolge sind dabei allerdings marginal.
Motive[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]
Auch die Motive des Helden können sich in weiten Teilen überschneiden. Gemeinsamkeiten liegen hier bei Rache und Geld, welches entweder aus einem Bankraub, einem Geldtransportüberfall oder einer Kopfgeldprämie stammen kann. Doch während der selbstlose Hollywoodheld mit seinen Einnahmen unverständlicherweise den Bedürftigen hilft, weil es ihm primär um Gerechtigkeit geht, will der egoistische Italowesternheld seine Beute allein versaufen und verhuren.
Berühmte Italowesterndarsteller[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]
- Clint Eastwood (USA)
- Lee van Cleef (USA, † 1989)
- Klaus Kinski (BRD, † 1991)
- Burt Reynolds (USA)
- Götz George (BRD)
- Charles Bronson (Litauen/USA, † 2003)
- Glenn Saxson (Niederlande)
- Gojko Mitić (Jugoslawien)
- Tomás Milián (Kuba)
- Anthony Steffen (Brasilien, † 2004)
Es fällt hier auf, dass keine Italiener in der Auflistung auftauchen. Dabei wäre der Italowestern doch die Gelegenheit gewesen, der Menschheit darzulegen, dass italienische Männer gar nicht die Muttersöhnchen sind, für die sie immer gehalten werden. Damit hat Italien unbeabsichtigt den Beweis erbracht, dass das Klischee gar kein Klischee ist, sondern die reine Wahrheit.
Rezeption[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]
Publikum[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]
Der Italowestern sprach - und spricht - überwiegend ein männliches Publikum an. Frauen fühlen sich nach Umfragen führender Medienforschungsanstalten vom Fehlen minutenlanger Dialoge zur Definition der Beziehung zwischen Held und weiblicher Hauptrolle oder der Option auf eine Eheschließung zwischen Held und „Heldin“ abgestoßen. Tatsächlich kann ein Italowesternheld zuweilen über mehr als eine halbe Stunde hervorragendes Schauspiel zeigen, ohne dabei überhaupt sprechen zu müssen. Das wirkt wiederum anziehend auf das männliche Publikum, welches mehr Handlung und weniger „Gesülze“ bevorzugt.
Weitere häufig von Frauen hervorgebrachte Kritikpunkte sind die explizite Gewaltdarstellung (angeblich verdirbt Gewaltdarstellung den Charakter) und der allgegenwärtige Schmutz. So werden die hausfraulichen Qualitäten der weiblichen Hauptrolle grundsätzlich in Frage gestellt, da man sie nie den heimischen Sperrholzverschlag fegen sieht (schlechtes Vorbild für heranwachsende Mädchen).
Ein weiterer wichtiger Grund für die weibliche Ablehnung des Italowesterns ist oftmals das gewöhnungsbedürftige Erscheinungsbild des Helden.
Kritiker[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]
Kritiker finden Italowestern überwiegend schlecht. Und was Kritiker schlecht finden, findet das zahlende Publikum gut. Einigkeit herscht über die überragende Qualtiät der Filmmusik, die sich unerreicht zeitlos über Jahre im Ohr des Hörers festsetzen kann. Dabei wurde diese Form der italienischen Neoklassik nur auf ihre Einzigartigkeit und Eingängigkeit hin entwickelt, um die Damenwelt bereits bei den ersten Takten aus dem Wohnzimmer zu treiben (Och nö; nich` schon wieder so'n blöder Schießfilm! Ich geh' mit meiner Freundin Sabine telefonieren.) und den Herren einen ungestörten Filmgenuss zu ermöglichen. Aber sie ist wirklich gut.
Niedergang[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]
Der Niedergang des Italowesterns wird allgemein einem Wandel des Zeitgeist zugeschrieben. Diese Annahme fußt auf der Vermutung, dass das Westernpublikum lieber Western mit vielschichtigen, weniger stereotypen Charakteren, starken Frauenrollen, politisch korrektem Umgang mit amerikanischen Ureinwohnern und einer epischen Geschichte sehen will. Daraus entstanden dann überlange Werke wie „Der mit dem Wolf tanzt“ oder Frauenpower-Western wie "Bandidas". Diese Werke stellten dann den Todesstoß des Westerngenres dar, denn seitdem will gar niemand mehr Western sehen, denn eigentlich war die Nachfrage nach Italowestern ungebrochen. Der wahre Grund für den Tod des Genres hat wirtschaftliche Hintergründe:
Sämtliche Produktionsfirmen für Italowestern - wie überhaupt alle italienischen Firmen - waren von der Cosa Nostra betriebene Geldwaschanlagen. Als dieser Umstand einem übereifrigen - und leider auch unbestechlichen - Staatsanwalt ins Auge gefallen ist, fehlte der Camorra die Zeit, den Staatsanwalt mundtot zu machen. Die Produktionsfirmen mussten geschlossen werden, da sie für die ehrenwerte Gesellschaft ein nicht mehr tragbares Risiko darstellten.
Quellen[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]
- Nero, F: Westernfilme für eine Hand voll Dollars - die Produktion eines Italowesterns. Cosa Nostra, Palermo, ISBN 3-0214-8395-2
- Girotti, M: Forza Italia. Cavaliere, Rom, ISBN 8-2132-7269-5
- Pedersoli, Dr. C: Rauchende Colts und dampfende Pasta - Die Geschichte des Spaghettiwestern. Verlagshaus Mampf, ISBN 8-1555-3869-6