Klospruch
„Die literarische Gewalt, die das gemeine Volk zu leisten vermag, kann ein Interessierter allein auf den Wänden abgeschiedener, stiller Örter erfahren.“
Ein Klospruch ist ein – häufig in Versform – schriftlich festgehaltener literarisch-philosophischer Gedankenaustausch. Er wird für gewöhnlich auf Wänden öffentlich zugänglicher Toiletten anonym niedergeschrieben.
Geschichte[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]
Anfänge[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]
Klosprüche lassen sich bis in das Hochmittelalter zurückverfolgen. Der nachweislich erste Klospruch datiert ca. 1209 - 1212. im Kloster Heilig Kreuz Augsburg (seit 1936, 1167–1803 Augustiner-Chorherren) in einem Abort im Nebenstuhl des Haupttraktes. Im Mauerwerk findet sich die mit Holzkohle verfasste und bis heute erhaltene Inschrift:
“ | hiero aborte hauset eyn alp dero iedmann allzus lang scheyset druntan gemecht beyset | ” |
Diese wurde vermutlich von einem unbekannten jungen Mönch verewigt, der sich mit dem enthaltsamen Klosterleben noch nicht abgefunden haben mag. Dieser Spruch ist hinter einer Plexiglasscheibe geschützt und wurde 1954 zum Weltkulturerbe ernannt.
19. Jahrhundert[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]
Im Jahrhundert der aufstrebenden Industrialisierung nahmen Klosprüche einen größeren Stellenwert in der Gesellschaft ein. Durch die tristen Arbeitertoiletten in den zahlreichen Fabriken beeinflusst, nahm die Zahl der Schreiber rapide zu. Die harten Arbeitsbedingungen machten den Arbeitern schwer zu schaffen. Die wenigen Minuten Erholung, die ihnen während des Stuhlgangs niemand verwehren konnte, nutzten sie zur philosophischen Reflektion ihrer selbst. In der Textilfabrik Cromford im rheinischen Ratingen ist ein Spruch aus dem Jahre 1844 noch erhalten. Man kann ihn in der Herrentoilette neben dem Haupteingang lesen. Dort steht in einer der Kabinen der mit einem Wachsstift geschriebene Satz:
“ | Sucht die Narrethei nicht an diesen Wänden, siehe da! Ihr haltet sie in jenen Euren Händen. | ” |
20. Jahrhundert[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]
Nach dem 2. Weltkrieg und im speziellen ab den 1960er Jahren erlebt der gewöhnliche Klospruch eine neue Renaissance. In den Schulen ist die Züchtigung inzwischen verboten, so dass die Schüler ihre jugendlichen Gedanken und Einsichten nun unverhohlen ausdrücken können. Ebenfalls hat die aufkommende Hippie-Bewegung der 1970er Jahre einen nicht unerheblichen Einfluss auf die Kreativität der Ergüsse gehabt. Auf der Mädchentoilette des Wilhelmsgynmasiums in Kassel findet man einen Spruch aus dem Jahre 1979, der das damalige Verständnis für anspruchvollen Gedankenaustausch und die Einstellung zum ökologischen Bewusstsein widerspiegelt:
“ | Da wo mein Müsli dampft, da bin ich unverkrampft. | ” |
Auch das politische Bewusstsein schlägt sich verstärkt auf dem stillen Örtchen nieder, z. B. 1981 auf einer Herrentoilette in einem katholischen Gymnasium in Bayern:
“ | Wie Adolf Hitler sitz' ich hier, die braune Masse unter mir. | ” |
Heute[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]
Infolge der flächendeckenden Einführung von IP-Kameras sind Klosprüche im 21. Jahrhundert praktisch ausgestorben. Bei den verbliebenen Resten macht sich der mit dem Zeitalter der SMS, Internetforen und Chat einhergehende Verfall der Sprachkultur macht auch vor den Klosprüchen keinen Halt. Auf der Kundentoilette eines Bielefelders Internet-Shops findet sich beispielsweise dieser Text:
“ | machst du lang hier kack beist dir nen geist konkret in sack (^_^) | ” |
Beachten Sie den holprigen Versreim und die katastrophale Rechtschreibung. Es ist zu befürchten, dass sich mit dem Rückgang der schriftlichen Artikulationsfähigkeit und der ungleichmäßigen Intelligenzverteilung die Kultur der Klosprüche eines Tages der Höhlemmalerei angleichen wird.
Gesellschaftliches[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]
Bedeutung[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]
Klosprüche dienen seit jeher dem anonymen Austausch von unausgesprochenen Gedanken. In einer Welt, in der ein falsch gesprochenes Wort jahrewährende Freundschaften mit einem Male zunichte machen können, besteht häufig das Verlangen, Gedanken, Ideen oder sonstige geistige Ergüsse einander mitzuteilen, ohne dem Empfänger dieser Gedanken von Angesicht zu Angesicht gegenüber treten zu müssen. Ebenso wie man einen tiefen Darmwind gern unbeobachtet entweichen lässt, möchte man einen tief im Innersten liegenden Gedanken unbemerkt herauslassen. Der gemeine Bürger ist im Gegensatz zu erfahrenen Schriftstellern nicht in der Lage, diese Gedanken bei einem Verlag zur Veröffentlichung vorzulegen. Er bedient sich daher dem letzten Rückzugsort in der Allgemeinheit; der öffentlichen Toilette.
Von vielen Menschen werden Klosprüche als Schmierereien abgetan. Dies ist allerdings eine sehr kurzsichtige Betrachtungsweise, verkennen sie doch das geistige Potential, das in den meisten Klosprüchen steckt. Eine mit zusammenhanglosen Sätzen vollgeschriebene Toilettenwand erfreut sich selbst bei so großen Kritikern wie Marcel Reich-Ranitzki allergrößter Beliebtheit. Er selbst sagt, dass es nichts erfrischenderes und beeindruckenderes geben kann, als mit heruntergelassener Hose und warmen Dampfriemen unter dem Gesäß den Erguss vieler hunderter Menschen auf einmal zu lesen.
Philosophie[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]
In der modernen Philosophie diskutiert man, ob es das Phänomen der „aufgestauten Intellekta“ gibt. Durch das permanente Einwirken von semi-intelligenten Mitmenschen, Verhaltensweisen und Medieneinflüssen staue sich bei vielen der wenigen noch vorhandenen vernunftbegabten Menschen das Bedürfnis, einen stummen „Intelligenzschrei“ abzugeben. Dieser solle befreiend auf all die negativen Eindrücke wirken, denen sie jahrein jahraus ausgesetzt sind. Einige beschäftigen sich dazu mit der Malerei, andere beschäftigen sich demgegenüber mit dem Verfassen von Klosprüchen. Die Kluft, die zwischen komplexen Gedankenzusammenhängen und dem gesprochenen Wort besteht, ist für viele Menschen derart tief, dass sie diese nicht formulieren, geschweige denn niederschreiben können. Die Verwendung von Klosprüchen gilt als die Form der Kommunikation, die diesen Gedanken am nächsten kommen.
Trivia[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]
Der gewöhnliche Klospruch darf nicht mit dem Geschmiere von Einwohnern Brauner Löcher verwechselt werden. Von dort, wo Hirn fehlt, kann kein intelligenter Klospruch stammen. Ebensowenig ist der mit einer Telefonnummer unterschriebene Wunsch auf gleichgeschlechtliche Liebe ein Klospruch.
Siehe auch[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]
Weblinks[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]
- wer welche findet, soll sie auf diese Wand kritzeln!