Rudi Carrell
Rudi Carrell (* 19. Dezember 1934 in Alkmaar, Niederlande; † 7. Juli 2006 in Bremen) war ein niederländisch-deutscher Diplomat, Showmaster und Protestsänger.
Leben und Werk[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]
Aussöhnung zwischen Niederländern und Deutschen[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]
Rudi Carrell leistete in seinen Fernseh- und Musikproduktionen einen wesentlichen Beitrag zur Aussöhnung zwischen den Niederländern und Deutschen, die nach dem Zweiten Weltkrieg aufgrund dieses Krieges tief verfeindet waren.
Zwei Wesensmerkmale seines Auftretens trugen maßgeblich dazu bei:
- seine Sprache, die ein Mischmasch aus dem Holländischen und dem Deutschen darstellte. Sie lehnte sich in punkto Vokabular stark an das Deutsche an, in punkto Aussprache und Grammatik eher an das Holländische. Redewendungen wie "Heute hier auf unsere Showbühne in die Rudi-Carrell-Show" illustrieren dies.
- sein Sinn für Humor, der sowohl von Niederländern als auch von Deutschen verstanden wurde. Dies ist umso bemerkenswerter, als die Deutschen als eines der humorärmsten Völker der Welt gelten.
Dank Carrell sind die Holländer und Deutschen heute nur noch dann verfeindet, wenn es um Fußball oder holländische Wohnwagen auf deutschen Autobahnen geht.
Fernsehproduktionen[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]
Carrell produzierte eine Reihe von Fernsehshows mit innovativen Ideen. Als die populärste von allen wird die Quizshow "Am laufenden Band" betrachtet, deren Star weder er als Showmaster noch die jeweiligen Kandidaten waren, sondern ein großer Würfel mit einem Fragezeichen, der stets am Ende der Show auf dem laufenden Band, nach dem die Sendung benannt war, am Gewinner des Quiz' vorbeigefahren wurde.
Die bedeutsamste Produktion aus politischer Sicht war jedoch Rudis Tagesshow, eine Nachrichtensendung, in denen er Fakten veröffentlichte, die bei den traditionellen deutschen Nachrichtensendungen, der ARD-Tagesschau und dem ZDF-"heute", verschwiegen wurden. Rudis Tagesshow betrieb also genau das, was bei den führenden Köpfen in Politik und Gesellschaft zutiefst verpönt war und ist, nämlich investigativen Journalismus. Den meisten Unmut erzeugte dies beim CDU-Politiker Norbert Blüm, der seiner Verärgerung dergestalt Luft machte, dass er Carrell in der letzten Ausgabe der Tagesshow einen Eimer Wasser über den Kopf goss. Carrell wertete dies aufgrund seines Humorverständnisses allerdings nicht als Missbilligung, sondern im Gegenteil als Anerkennung.
Das journalistische Selbstverständnis von Rudis Tagesshow lebt bis heute weiter und stellt unter anderem eine der philosophischen Grundlagen des Internetprojektes Uncyclopedia dar.
Wann wird's mal wieder richtig Sommer[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]
Carrell betätigte sich bei diversen Musikproduktionen als Sänger. Die meisten davon konnten, was ihre kulturelle Bedeutung anbelangte, nicht den Stellenwert seiner Fernsehproduktionen erreichen, absolut herausragend war jedoch der 1975 produzierte Schlager Wann wird's mal wieder richtig Sommer. Rein musikalisch war diese Produktion in keiner Weise innovativ, da vom amerikanischen Country-Song "City Of New Orleans" von Steve Goodman übernommen. Textlich jedoch war sie, was die Auseinandersetzung der Deutschen mit Fehlentwicklungen politischer, wirtschaftlicher und gesellschaftlicher Natur anbelangte, bahnbrechend. Vordergründig stellt der Text des Liedes[1] eine Auseinandersetzung mit dem Wetter aus alltäglich-banaler Sicht dar, hintergründig enthält er jedoch eine massive Anklage gegen diverse Entwicklungen im Deutschland der Nachkriegszeit.
Die erste Strophe beginnt vergleichsweise belanglos, prangert dann jedoch den Verfall kinderfreundlicher Sitten im Bildungswesen an: "Früher gab's noch hitzefrei". Gleich anschließend wird die Degeneration des Wohlfahrtsstaates, exemplarisch anhand der Einschnitte im Angebot öffentlicher Einrichtungen zur Gesundheitspflege, kritisiert: "das Freibad war schon auf im Mai". Am Ende der ersten Strophe wird der Sittenverfall des Staatswesens in Form von Verstößen der Beamten gegen ihre Dienstvorschriften thematisiert: "und jeder Schutzmann zog die Jacke aus". Hier ist allerdings strittig, ob Carrell das Verhalten der Beamten oder vielmehr die empfindliche Reaktion prinzipenreitender Bürger auf solche Vorgänge kritisieren wollte. Für wahrscheinlicher wird letzteres gehalten; vermutlich wollte Carrell, in Geistesbruderschaft mit Heinz Erhardt, überzogene Vorschriftstreue in Staatsdienerkreisen anprangern bzw. das Hinwegsetzen über diese Vorschriften gutheißen.
In der zweiten Strophe gerät das Wirtschaftsleben in den Fokus, die Unfähigkeit der Industrie im Umgang mit Nachfrageengpässen wird angeprangert: "Pulloverfabrikanten gingen ein". Anschließend kommt die Ressourcenknappheit zur Sprache: "Wir mussten mit dem Wasser sparsam sein." Letzter inhaltlicher Schwerpunkt der Strophe ist eine Anklage gegen die Prüderie der Nachkriegszeit: "Wer durfte, machte FKK."
Die dritte Strophe nennt dann konkret die Wurzel allen Übels: "denn schuld daran ist nur die SPD." Diese Textzeile sorgte für massive Proteste seitens der Sozialdemokraten, da sie sich zu Unrecht als Alleinschuldige angeklagt fühlten. Was sie, ebenso wie viele andere, nicht verstanden hatten: Carrell wollte nicht die Sozialdemokratische Partei im speziellen, sondern die herrschende Nomenklatura im allgemeinen an den Pranger stellen, und das war im Jahr 1975 eben die SPD. Auch die anschließende Textzeile "Ich find', das geht ein bisschen weit" konnte die Sozialdemokraten nicht beruhigen. Dies ist umso unverständlicher, als am Ende des Textes unmissverständlich die Gesellschaft als Ganzes in die Verantwortung für die politische und wirtschaftliche Entwicklung des Landes genommen wird: "Und diese Frage geht uns alle an."
Angesichts all dessen muss die gängige Interpretation des Songtitels - Sehnsucht nach besserem Wetter - als unzureichend betrachtet werden. Tatsächlich drückt der Songtitel in symbolischer Weise die Sehnsucht nach besseren Zeiten in vielfacher Hinsicht - Politik, Gesellschaft, Ökonomie - aus. Die Erkenntnisse des Textes sind bis heute integraler Bestandteil des politischen Lebens, so wäre es zum Beispiel ohne dieses Lied zur Klimawandel-Diskussion des 21. Jahrhunderts nie gekommen.
1976, also ein Jahr nach Veröffentlichung des Liedes, erlebte Deutschland den heißesten Sommer seit Jahrzehnten. Viele vermuteten einen ursächlichen Zusammenhang zwischen Carrells Frage Wann wird's mal wieder richtig Sommer? und der "Antwort des Wettergottes" ein Jahr danach. Carrells Branchenkollege Peter Maffay kommentierte dies mit den lakonischen Worten: "Und es war Sommer."
Rezeption[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]
Carrells Werk genoss von Anfang an in den Niederlanden und Deutschland eine große Popularität. Dies schlug sich allerdings auch in Vorgängen nieder, die Carrell eher mit Missfallen beobachtete. So traten zahlreiche Freizeitkünstler als Carrell-Imitatoren auf, blendeten dabei allerdings die politische Komponente seines Wirkens in der Regel komplett aus und beschränkten sich auf substanzlosen Klamauk. Ähnlich verhielt es sich mit den zahllosen Musikern, die das Lied Wann wird's mal wieder richtig Sommer coverten, ohne die eigentliche Essenz des Textes verinnerlicht zu haben. Dies gilt insbesondere für die Punk- und Death Metal-Bands, die den Song als Vehikel für sinnbefreiten Gitarrenlärm und Krakeel- bzw. Grunzgesang zweckentfremdeten. Sie machten sich dabei zunutze, dass auch viele Konsumenten sich nicht für die eigentliche Botschaft des Liedes interessierten, sondern lediglich nach jedem verregneten Sommer die Frage Wann wird's mal wieder richtig Sommer? wiederkäuen wollten. Einige Interpreten versahen den Song mit eigenen Texten, die sich an Carrells Text anlehnten, jedoch sämtliche bedeutsamen Aussagen konsequent herausfilterten und durch Banalitäten ersetzten, die sich um schlechtes Wetter aus der Perspektive belanglosen Smalltalks drehten.
Allerdings belegt auch dies in gewisser Weise die Popularität des Wirkens Rudi Carrells. Sowohl bei den politisch denkenden Bürgern der Niederlande und Deutschlands war er populär, als auch bei der unpolitischen Masse, die an seinen Shows und Liedern Gefallen fand, obwohl sie den Großteil der inhaltlichen Essenz nicht mitbekam. Sowohl die Feuilletonautoren der Intellektuellenpresse als auch die Boulevardzeitungen befassten sich eingehend mit seinem Wirken und Werken, jeweils aus ihrer Sicht. Carrell war omnipräsent, überall und immer, am laufenden Band, quer durch sämtliche Gesellschaftsschichten. Hans Rosenthal, Carrells Kollege aus der Showbranche, kommentierte dies mit den Worten: "Das war Spitze."
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