Ökologisches Bewusstsein
Als ökologisches Bewusstsein bezeichnet man die Erkenntnis eines Menschen, dass es ökologisch sinnvoll ist, angeblich wiederverwertbare Verpackungen mit aufgedruckten grünen Punkten in Plastiktonnen mit gelben Deckeln zu schmeißen.
Entstehungsgeschichte[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]
Früher, als es noch keine grünen Punkte und gelbdecklige Tonnen gab, lebte der Urmensch im Einklang mit der Natur. Er ernährte sich von gesammelten Früchten und erlegte Problembären und Insektenmaden, die sich in Baumstämmen niedergelassen hatten. Irgendwann entdeckte der Urmensch dann das Feuer und begann seine Umwelt durch Brandrodungen und Freudenfeuer zu schädigen. Mit dem Beginn der Industrialisierung machte sich der Mensch die Erde dann so gründlich untertan, dass vielerorts nicht mehr viel von ihr übrig blieb. Ein neues Bewusstsein musste her, bzw. musste das naturkompatiblere Bewusstsein unserer Urväter reaktiviert werden, um die drohende, vom Menschen verursachte ökologische Katastrophe zu stoppen oder zumindest zu verlangsamen. Ganzheitlich denkende Menschen und Öko-Aktivisten gründeten Protestbewegungen, aus denen u.a. Die Grünen hervorgingen, und tüftelten an Marketingstrategien, die dem konsumorientierten Zivilisationsmenschen einen bewussteren Umgang mit den begrenzten Ressourcen unseres Planeten nahebringen würden. Der Grüne Punkt wurde geboren und gebar bald darauf eine Tochter, die auf den Namen Dosenpfand getauft wurde. Entfernt verwandt mit dem Katalysator, der Mehrwegflasche, der Stromsteuer, dem Atomausstieg, der Feinstaubverordnung und der Asbestsanierung sorgte diese neue Familie für einigen Wirbel in der verärgerten Gesellschaft, die ihren durch nie enden wollendes Wachstum entstandenen Wohlstand durch die neuen Mitbewohner gefährdet sah. Kinder sollten plötzlich nicht mehr mit Spielzeugen spielen dürfen, die von chinesischen Billiglohnfabrikanten mit krebserregenden Weichmachern gefügig gemacht wurden, und in vielen Behausungen führte die Einführung der Energiesparlampe zu einem ungemütlichen, fahlen Ambiente, das die Lebensqualität massiv beeinträchtigte.
Die Einführung ökologisch verträglicher Bioprodukte erfasste die Konsumgesellschaft wie ein Tsunami und jeder, der es sich irgendwie leisten konnte, verzehrte von nun an Nackensteaks und Schnitzel, die mit Hilfe artgerechter Tierhaltung ohne die Verwendung von Antibiotika und Tiermehl hergestellt wurden, kaufte sündhaft teure, cortisonfreie Körperpflegemittel in Reformhäusern und achtete darauf, dass die konsumierten Cornflakes aus gentechnisch nicht verändertem Mais gewonnen wurden. Schädlinge wie Mücken, Wanzen und Kakerlaken wurden nicht mehr von Kammerjägern mit chemischen Keulen erledigt, sondern freundlich vor die Tür der von ihnen befallenen Behausungen gebeten, Formaldehyd-belastete Möbelstücke wurden stigmatisiert und aus vielen Einfamilienhäusern und Wohnungen verbannt.
Geburtswehen[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]
Bei der Etablierung des ökologischen Bewusstseins gab es erhebliche Geburtsschwierigkeiten, da viele Bürger nicht einsahen, warum sie auf einmal ihre Joghurtbecher und Quarkverpackungen waschen sollten, statt sie einfach wie bisher in die universale Abfalltonne zu werfen. Auch die Aufforderung der Ökologen, zum 50 Meter von der Haustür entfernten Briefkasten nicht mit der Familienlimousine zu fahren, sondern zu Fuß zu gehen, erschien vielen Menschen als ein evolutionärer Rückschritt, und es bedurfte vieler düsterer Prophezeiungen seitens der Umweltaktivisten, um die träge Masse Wohlstandsmensch von ihren eingeübten Wohlstandsritualen abzubringen und zu einem ökologischeren Denken zu bewegen.
Da die technische Entwicklung mit der Entwicklung des ökologischen Bewusstseins nicht mithalten konnte, landeten viele der eingesammelten, grünbepunkteten Verbundstoffe letztendlich wieder auf normalen Müllkippen und Müllverbrennungsanlagen und entfalteten dort ihr dioxinhaltiges Verschmutzungspotenzial. Dem Bürger wurde zwar suggeriert, er würde durch die Mülltrennung einen essenziellen Beitrag zum Umweltschutz leisten, doch der tatsächliche Effekt, den diese Praxis auf den Schutz unserer Umwelt hatte, war eher theoretischer Natur. Kein Ökologe wusste, was mit den Millionen Tonnen recycelten Plastikgranulats anzufangen sei. Der Versuch, das gewonnene Granulat in den Asphalt von Autobahnen zu integrieren, führte zu einem Wegschmelzen des Straßenbelags in den heißen Sommermonaten. Es gab zwar ein technisches Verfahren, um aus dem Granulat Kraftstoff herzustellen, doch die Öllobby verhinderte die Einführung dieses Recycling-Sprits, da sie ihre Pfründe gefährdet sah, und führte die Recyclingwirtschaft auf diese Weise ad absurdum.
Akzeptanz[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]
In einigen aufgeklärten europäischen Gesellschaften hat sich das ökologische Bewusstsein heute einigermaßen ausgebildet, die Mülltrennung gehört zum täglichen Leben dazu und viele Zeitgenossen schmücken sich mit ihrem grün angehauchten Bewusstsein. Schweine, Rinder, Schafe und Hühner werden in klimatisierten Tiertransportern mit ausreichend Platz zu den Schlachthöfen transportiert und dort mit ökologisch verträglichen Bolzenschussgeräten ins Jenseits befördert, und der schonende Umgang mit natürlichen Ressourcen hat sich als moralische Tugend etablieren können. Das betrifft allerdings hauptsächlich die breite Mittelschicht von im Wohlstand lebenden Nationen und einige grüne Aussteiger, die abseits der Zivilisation als autarke Selbstversorger vor sich hinvegetieren und ihren Kindern Namen wie Roggen, Hirse, Weizen oder Kleie geben, um ihre Liebe zur Natur zu verdeutlichen.
Wohlhabende Menschen, die auf ihre Persönlichkeitsprothesen nicht verzichten können, fahren nach wie vor ihre spritschluckenden Großraumlimousinen und allradbetriebene PS-Monster durch die verstopften Innenstädte und sehen sich nicht in der Verantwortung für die drohende Klimakatastrophe. Unterschichtler, die von Hartz IV leben, kaufen nach wie vor industriell gefertigte Billig-Lebensmittel in den Discountern ein und schnauben nur verächtlich, wenn sie in einem edlen Reformhaus - in das sie sich zufällig verlaufen haben - an einem Glas rechtsdrehenden Biojoghurt für 3,49 € vorbeistolpern.
Immer mehr prominente Politiker, Künstler und gescheiterte Präsidentschaftskandidaten entdecken die Propagierung eines ökologischen Bewusstseins als medienwirksames Betätigungsfeld. Zu ihren Seminaren und Workshops reisen sie zwar mit ökologisch bedenklichen Learjets und Großraumlimousinen an und in ihrem Privatleben wohnen sie in stattlichen Villen, die nicht mit Energiesparlampen und ökologisch verträglichen Zentralheizungen ausgerüstet sind, doch während ihrer Vorträge umgeben sie sich mit dem missionarischen Schein der ökologischen Aufklärung und tragen effektiv zur allgemeinen, Weltuntergangsstimmung verbreitenden Panikmache bei.
Wirtschaftliche Aspekte[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]
„Ein ausgeprägtes ökologisches Bewusstsein hemmt wirtschaftliches Wachstum“, behaupten die Raubtierkapitalisten. „Die Entwicklung umweltverträglicher Technologien birgt große wirtschaftliche Expansionsmöglichkeiten“ behaupten Ökologen und ganzheitlich denkende Menschen. Objektiv betrachtet kann konstatiert werden, dass in Schwellenländern und heruntergewirtschafteten Nationen aus der Dritten und Vierten Welt ein ökologisches Bewusstsein quasi nicht existiert, da die erforderlichen Investitionen zum Umweltschutz die Rendite der die Umweltverschmutzung verursachenden Industriezweige schmälern und den aufblühenden Aufschwung verlangsamen würde. Es scheint, als müsste man sich ein ökologisches Bewusstsein leisten können, und so bleibt dieser Bewusstseinssprung Gesellschaften vorbehalten, die über genug Finanzmittel verfügen, um ihre Umwelt vor ihnen selbst zu schützen.
Wer einmal während eines Morgenspaziergangs das letale, smoggeschwängerte und als Atemluft bezeichnete Gasgemisch Pekings in seine Lungen inhaliert hat und dabei dachte, er würde eine Reval ohne auf Lunge rauchen, wird sich fragen, warum eine aufstrebende Wirtschaftsmacht wie China nicht mehr für die Entwicklung des ökologischen Bewusstseins seiner Bürger tut. Diese rhetorische Frage wird jeder kommunistische Funktionär der chinesischen Führungsspitze mit einem mitleidigen Lächeln beantworten und auf die jährlichen zwölf Prozent Wirtschaftswachstum hinweisen, die bei Weitem wichtiger für die Entwicklung des Landes erscheinen, als aktionistische Maßnahmen zur Verbesserung der Atemluft oder der Wasserqualität.
Galerie[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]