Effizienzialismus
Effizienzialismus ist einerseits die Gegenbewegung und andererseits der Zwillingsbruder des Existenzialismus. Er geht zurück auf den legendären Effe, der die effiziente Meinungsäußerung erfand. Ursprünglich ist er sogar noch älter. In der heutigen postpostmodernen Welt spielt der Effizienzialismus die erste Geige unter den gesellschaftsbestimmenden Theorien. Die effizienzialistischen Lehren finden Eingang in die Management-Lehrbücher stromlinig-westergewellter Jungbetriebswirte, so dass Arbeitnehmer in aller Welt, ständig nervenden Programmen zur Erhöhung der betrieblichen Prozess-Effizienz ausgesetzt, effizient auch den letzten Spaß an ihrer Arbeit verlieren.
Ursprünglich war der Effizienzialismus Antriebsfeder für die Entwicklung des Kriegshandwerks zur Tötungsindustrie. Den Feind in Blitzkriegen zu überrollen war ein Stück Lebensqualität für die Kriegsteilnehmer. Der Einsatz von Maschinengewehren, Flammenwerfern, Gas, Bakterien, Stalin-Orgeln, Brand-, Atom- und Streu-Bomben entlastete die Soldaten von dem Trauma des im Kampf Mann gegen Mann angerichteten Einzelschicksals. Adolf Armleuchtermast befahl im zweiten Weltkrieg die Anwendung ähnlicher Mittel auch zum effizienteren Morden hinter der Front. Damit wurde der Holocaust zur bisher schlimmsten Übertreibung des Effizienzialismus, denn den deutschen Soldaten und SS-Leuten war effizient die Lehre vom Befehlsnotstand eingebleut worden.
Nach dem Krieg wurden Armleuchtermasts Effizienzialisten gefragte Experten für den Aufbau der Bundesrepublik Deutschland, z.B. die Herren Globke, Kiesinger, Filbinger und wie sie alle hießen. Kein Wunder, dass sich in der Nachkriegszeit die deutsche Wirtschaft höchst effizient erholte. Nachdem in den 70er-Jahren die Wirtschaft sich nur noch mit effizient staatsschuldenvermultiplizierenden Konjunkturspritzen über Wasser halten ließ, dachte man in der Ära Kohl der 80er und 90er ernsthaft darüber nach, wie man da wieder Schwung reinbringt, obschon man wusste, dass die historisch einmalige Nachkriegssituation nicht wiederholbar ist. Um wenigstens für einige Glückspilze unter den Bundesbürgern die Stagnationsphase erträglich zu machen, wurde zunächst der Jackpot erfunden. Doch davon wurden zu wenige reich. Auch die Show "Wer wird Millionär" brachte nicht den Durchbruch. Ron Sommer, ein ausgefuchster Experte in Sachen Entropie, fand schließlich den Stein der Weisen mit der Telekom-Aktie, deren Erst-Ausgabe zum Ausbruch des Turbo-Kapitalismus führte. Schneller reich werden ohne die Millionenfrage beantworten zu müssen, waren doch alle Aktien quasi Joker. Die Telekom-Aktie war quasi Reichtum zum selbst zusammenschrauben, das Billy-Regal unter den Wertpapieren.
Und dann kam auch noch das Internet mit seinen schillernden Start-Ups, die den "Neuen Markt" derart effizient belebten, dass die soziale Marktwirtschaft aus "Wirtschaftswunder"-Zeiten verblasste. Mit diesen Aktien im Depot konnte man von einem Vorruhestand mit 50 bei den Reichen und Schönen von Monte Carlo träumen. Das Aufwachen aus dem Traum war aber die Erkenntnis, das investierte Geld effizient regelrecht verbrannt zu haben. Über nacht waren Zehntausende deutsche Spießer-Spekulanten effizient um Zehntausende Euri an Vermögen ärmer. Doch auch das Platzen der Internet-Aktienkursblase (.comBlase) hielt den Effizienzialismus nicht davon ab, wieder in die Mitte der Gesellschaft zurückzukehren.
Zunächst versuchten es die Leute wieder mit geringen Wetteinsätzen an der Rennbahn von Effizheim. Von da stammt das Wort Effizienzialismus, doch schon bald war das Reich- oder Armwerden den Menschen dort nicht mehr effizient genug. In teure Aktien noch so renommierter Telekom-Unternehmen wollte nun keiner mehr investieren, deshalb erfand man billigere Wertpapiere, Zertifikate, Hedge- und Junkie-Fonds. Mit diesen Schrottpapieren konnte man noch größere Kundenscharen an die Börsen locken und die Banken glaubten, so Geld generieren zu können, das sie großzügig an unterkapitalisierte Hauskäufer verliehen. Als die Hauspreisblase platzte, wurden noch viel mehr Menschen noch viel effizienter noch viel ärmer als bei der .comBlase. Effizient arm werden ist die zur Zeit der Finanzkrise 2009 am weitesten verbreitete Ausprägung des Effizienzialismus, womit er in die Nähe zum Existenzialismus gerückt ist.