Benutzer:NaturalBornKieler/Labor6
Der Straßenverkehr in Neapel ist ein Prozess, der sich näherungsweise nur als surrealer Quasi-Organismus in einem vieldimensionalen Multiversum begreifen lässt. Jeder Versuch, sich diesem Phänomen deskriptiv oder unidisziplinär zu nähern, ist von vornherein zum Scheitern verurteilt. Auf der anderen Seite lohnt es sich, in die Gesamtheit der Fortbewegungsprozesse Neapels vorbehaltlos einzutauchen. Diese Erfahrung bringt nicht nur die Persönlichkeitsentwicklung des betroffenen Individuums einen großen Schritt voran, sondern hat auch großen praktischen Nutzen: wer in Neapel erfolgreich am Straßenverkehr teilgenommen hat, ist gerüstet, sich im ganzen Mittelmeerraum ebenso sicher zu bewegen wie in Kalkutta, Mexiko-Stadt oder im Dschungel Papua-Neuguineas. Und profane Dinge wie Politik, Steuern oder die eigene Sterblichkeit verlieren ihren Schrecken.
Die folgende Beschreibung dient nicht dazu, den Straßenverkehr in Neapel zu verstehen. Sie kann allenfalls dazu anregen, sich einmal selbst diesem Erlebnis auszusetzen, und soll den Leser ermutigen, zu diesem Zweck zuvor sämtliche vorhandenen Erfahrungen, Kenntnisse und Überzeugungen über Bord zu werfen.
Verkehrsteilnehmer[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]
Bei der Beobachtung von Verkehrsteilnehmern in Neapel fällt zunächst deren außergewöhnliche Gelassenheit auf. Der typische Neapolitaner meistert auch die kritischsten Situationen ohne Aufregung, weil er weiß, dass ohnehin im nächsten Moment der Vesuv ausbrechen und seinem Leben ein Ende setzen könnte, oder dass er hinter der nächsten Ecke von einem Müllberg verschüttet werden kann.
Autofahrer[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]
Den größten Anteil der Verkehrsteilnehmer in Neapel stellen die Autofahrer. Nicht unbedingt zahlenmäßig, aber von der in Anspruch genommenen Fläche her - und Fläche ist auf Neapels Straßen nicht immer im Überfluss vorhanden. Aus diesem Grund fährt man in Neapel üblicherweise ein kleines Auto. Falls sich nach der Anschaffung eines Fahrzeugs herausstellt, dass das Auto nicht klein genug ist, so wird dieser Mangel im Laufe des Gebrauchs meist von allein behoben. Mit einem fabrikneuen Wagen fühlt man sich in Neapel ohnehin als Fremdkörper, weshalb man den Neuwagen möglichst bald durch intensiven Kontakt mit anderen Fahrzeugen (oder baulichen Elementen) einfahren sollte.
Neapels Autofahrer befinden sich zumeist in einem Zustand völliger Tiefenentspannung und Weltabgewandtheit. Das wichtigste Hilfsmittel, um diesen Zustand zu erreichen und aufrechtzuerhalten, ist das Mobiltelefon. Durch fortwährendes Telefonieren während der Fahrt kann der Neapolitaner der grausamen Realität des ihn umgebenden Verkehrs entrinnen, sich weiter als Mensch in seiner großen Familie fühlen und alle Aggressionen von sich abfallen lassen. Daher ist die Benutzung des Telefons während der Fahrt innerhalb des neapolitanischen Stadtgebiets obligatorisch.
Wichtig beim Fahren ist außerdem die perfekte Körperhaltung. Als Ideal gilt es dabei, den gut gebräunten linken Arm lässig aus dem Seitenfenster hängen zu lassen. Für alle erforderlichen Tätigkeiten während der Fahrt (Lenken, Schalten, Telefonieren, Rauchen, Gestikulieren) reicht die rechte Hand völlig aus. Durch den heraushängenden linken Arm gibt man auch zu erkennen, dass man keine Angst davor hat, der Arm könnte einem von einem vorbeischrammenden Mopedfahrer abgefahren werden. Dies gilt als musterhaftes Symbol für die notwendige Gelassenheit.